Offenburger Tageblatt vom 9. März 2019
von Bettina Kühne
Die Bühne ist voller Schuhe, und die Frauen schmachten den Schuhverkäufer an, der wie beim Heiratsantrag vor ihnen kniet. Eine oft tödliche Begegnung, wie sich im Offenburger Salmen bei der Aufführung des Stücks »Blaubart – Hoffnung der Frauen« durch die Schauspieler des »Theater im Gewölbe« herausstellen soll. Denn Heinrich Blaubart, eher einer der drögeren Männer, bekommt reichlich Avancen. Mehr noch: Die Frauen wollen ihn mit Haut und Haaren. Und das ist nicht bekömmlich.
Philipp Basler hat als Regisseur des Stückes »Blaubart – Hoffnung der Frauen« von Dea Loher die Rolle des Blaubart gleich dreimal vergeben: Gereon Niekamp, Michael Lauther und Jean-Baptiste Meugnier tragen die gleichen grauen Anzüge mit der gestreiften Krawatte. Und sie antworten dasselbe – zumindest am Anfang, als die Blinde ihren ersten Auftritt hat. Bettina Ragnit spielt die Frau mit dem Stock, die einen Mann im Park trifft und dort fragt, ob er jemanden suche. Nein. Ob er gesucht werde? Ja. Sind Sie ein Mörder? Ja. Kann ich jetzt gehen? Ja. Dieser Dialog wiederholt sich mit jedem Darsteller – und bildet die Klammer um das gesamte Stück. Denn am Ende kommt die Szene noch einmal, was Heinrich plötzlich in eine vollkommen andere, ungewohnte Situation bringt.
Langweiliger Typ
Das erste Mal ist noch Zufall: Heinrich, Typ langweiliger Kleinbürger, lässt sich von der durchgeknallten Julia tatsächlich überreden, sie zu heiraten. Binnen zwei Stunden und 17 Minuten wird aus der ihm zunächst Unbekannten eine tote Braut. Angelika Rissler kokettiert, wirbt, drängt – und so wird sie an ihrem Geburtstag die Seine, die eine Liebe »über alle Maßen« fühlt. Dass sie sich umbringt und in seinen Armen stirbt, bildet den Auftakt für die Mordserie aus seiner Hand.
Silke Mahnke gibt sich als Anna seinen Annäherungsversuchen gegenüber zunächst spröde: »Wir kennen uns doch kaum.« Doch dann fühlt sie sich von seinen Schwärmereien für blondes Haar und geschwungenen Lippen geschmeichelt. Blaubart bringt sie ebenso um wie Landei Judith – Nicole Jendorssek war in den sentimentalen Momenten stimmlich leider etwas zu leise – das auf seinem Koffer schläft und das Kissen von der Oma mit sich führt.
Wohin die Leichen verschwinden und ob Heinrich von irgendjemandem als Mörder gesucht wird, bleibt ebenso unklar wie der Schuldanteil der Frauen. Gut, sie stellten die Forderung nach der totalitären Liebe; das überfordert den gefühlsarmen Schuhverkäufer. Aber was genau der Moment ist, der die Begegnung zum Kippen bringt und den Zwang zum Töten provoziert, wird in dem mit raffinierter Herzschlag-Musik untermalten Miniatur-Krimi nicht ganz klar – zumal Blaubart genügend Abstand hat, um gegensteuern zu wollen.
Zugutehalten kann man ihm nämlich, dass er versuchte, sich von der Mordlust zu kurieren: Geld soll Gefühle verhindern. Doch auch Tanja verliebt sich plötzlich in ihn. Andrea Stamwitz, die das Stück an anderer Stelle mit Monologen voranbrachte, zeigte ein bewegtes Mienenspiel: blasiertes Getue, unendliches gelangweilt sein und plötzlich das Flehen um Liebe – all das brachte sie ausdrucksstark herüber. Überflüssig zu erwähnen, dass Blaubart auch ihr Killer wurde, was das Gezeigte endgültig zu etwas Absurdem machte.
Schuss ins Knie
Dann glaubt man, dass Blaubart seine Meisterin gefunden hat: Eva mit der Pistole. Barbara Krehl gibt die Drama-Queen im kleinen Schwarzen souverän, ballert erst einmal herum, bis sie ihn bittet, sie zu töten. Da er diese Aufforderung nicht auf Anhieb umsetzen kann und ihr ins Knie schießt, gibt es erst einmal Geschrei wegen der kaputten Strumpfhose: Diese absurden Momente sind es, die die Aufführung sehenswert machen. Das Premierenpublikum am Donnerstagabend spendete entsprechend lang anhaltenden Applaus für das Stück, das ohne Pause aufgeführt wurde.