Das Offenburger »Theater im Gewölbe« mit der Lysistrate des Aristophanes in der Stadthalle
Das Stück »Lysistrate«, gespielt vom Offenburger Theater im Gewölbe, war ein feiner Theaterspaß.
Kritik in der Badischen Zeitung vom 3. April 2000
von Hermann Hirner
Kehl. Die Alten Griechen haben über Leibliches ja nie so stark herum geredet, also prüde waren die bestimmt nicht: Athen und Sparta bekämpften sich bereits zwanzig Jahrelang; an der menschlichen Vernunft durfte mal wieder kräftig gezweifelt werden, als sich der Athener Komödienschreiber Aristophanes in seiner Empörung über diesen Bruderkrieg eine radikale Lösung einfallen ließ und auf die Bühne brachte: Wie wär’s, wenn sich die Frauen beider Kriegslager verbündeten mit dem Ziele, so lange aufs eheliche Lager zu verzichten, bis die Männer die Lust aufs Kriege machen verloren hätten?
Ja, und das tun die vereinigten Frauen. Griechenlands dann auch in einem harten Kampf des Willens mit der menschlichen Natur. Die Lysistrate ist ein herrliches Stück für Theatergruppen, weil nämlich auch Frauengerne Theater spielen und die Theaterliteratur nicht so viele Werke mit guten Frauenrollen bietet. Dazu ist die Lysistrate nach 2500 Jahren immer noch so richtig modern, weil die Frauen im Stück die cleveren und die Männer ein bisschen die Deppen sind.
Das zu zeigen hat den Spielerinnen vom Offenburger Theater im Gewölbe wohl ziemlich viel Freude bereitet. Und uns hat es Spaß gemacht, ihnen bei ihrer wohl durchdachten und abwechslungsreichen Inszenierung zuzuschauen. Regie hat ja auch eine Frau geführt (Alma Boliva), also eine rund herum weibliche Aufführung (ohne die beiden Männer im Stück, den jungen und den älteren, dabei außer acht zu lassen).
In aller Ruhe werden die einzelnen Szenen aufgebaut, oft vom Zuschauerraum her und dann zu einem Höhepunkt hin gesteigert. Durch wohl überlegte Choreografie ergeben sich dabei schöne Bewegungsabläufe wie zum Beispiel, wenn die vor ihrer Stadtgöttin versammelten Frauen sich dieser, rhythmisch vor- und zurückschreitend, nähern.
Bedenkliche Folgen
Nachdem das Streikgeschehen schon zu bedenklichen Folgen bei den griechischen Damen geführt hat, sich die Schauspielerinnen dabei trauen, in ihren Entzugserscheinungen bis an die Grenzen der Hysterie zu gehen, schreitet Pallas Athene ganz langsam von ihrem Thronsessel herab, um alle mit Hilfe ihrer göttlichen Kraft wieder zu entspannen und zu beruhigen. Das ist toll gemacht, mit, vollem Körpereinsatz, ohne, peinliche Übertreibungen, in der richtigen Balance zwischen Ernst und Humor.
Ein listiges Spiel ergibt sich natürlich dadurch, dass eine Frau, die einen Mann spielt, diesen auch trefflich parodieren kann. Schon allein die Rüstung. eines solchen Kriegers musste man sehen: ein schwarzer Karton als Brustpanzer mit vielen Kordeln und Troddeln daran, umgedrehte goldene Katzenfutterdosen als Epauletten draufgeklebt; dazu als Kopfbedeckung eine Zipfelmütze mit drei wurzelartigen Dingern darauf … ja, man kann den Spott über das andere Geschlecht schon ganz schön weit treiben.
In dieser Komödie wurde aber noch etwas drauf gesetzt: Da kommtdoch plötzlich so ein Opa mit seiner Enkelin herein, setzt sich auf einen der vorderen Plätze und fängt an, von jetzt ab seine Kommentare zum Stückverlauf zu geben. Eine Idee, die sich vielleicht hätte totlaufen können, wenn nicht gerade dieser Großvater am Ende, den Männermangel der Offenburger Truppe auf die Schippe nehmend, mit einem Kinderhelm den Spartanerfürsten spielen würde (auf Alemannisch, weil die Spartaner ja anders redeten als die von ihrer Gegnerstadt).
Geschmackvolle Kostüme, wunderschöne Perücken, ägyptisch streng bei den Athenerinnen und knallig bunt bei denen aus dem Ausland, ungewöhnliche Auswahl der Musik, so dass man sich an Stellen fast in Afrika fühlte – eine rundum gewinnende Aufforderung der Offenburger Griechinnen zu weiblicher List und männlichem Nachgeben können. Wenn das Stück auch 2500 Jahre nichts bewirkt hat, so ist es doch immer noch ein feiner Theaterspaß.