Kasimir und Karoline – Das Theater im Gewölbe bringt eine moderne Fassung nach Ödön von Horváth auf die Bühne des Salmen.
Krtik in der Badische Zeitung vom 5. März 2018
OFFENBURG. Die Schauspieler streifen über die Bretter, ruhelos, immer hin und her. Sie suchen, aber was? „Man hat oft so eine Sehnsucht in sich“, sinniert Karoline, die sich mit Kasimir auf dem Münchner Oktoberfest vergnügen will. Dort spielt das Volksstück „Kasimir und Karoline“ des in Ungarn geborenen Schriftstellers Ödön von Horváth, das 1932 in Leipzig uraufgeführt wurde.
Es ist die Zeit der Weltwirtschaftskrise. Was suchten Menschen damals, was suchen sie heute auf einem Volksfest? Ist es das Vergessen des Alltags, das Gefühl der Freiheit, des Rausches, das Verschmelzen mit der Masse oder gar die Liebe? Diesen Fragen wollten die Schauspieler nachgehen, hat Regisseurin Miriam Lemdjadi im Vorgespräch erklärt. Dazu hat die Crew extra Milieustudien auf dem Cannstatter Wasen gemacht. Auch ein Video wurde dort gedreht, das als Hintergrund die Volksfestatmosphäre auf die Bühne holt. Schöne Idee!
Vor der glitzernden Rummelplatzkulisse also spielt sich die menschliche Tragödie einer zerbrechenden Liebe ab, einer, so möchte man annehmen, die vielleicht ohnehin nicht mehr sehr tragfähig gewesen ist. Der Chauffeur Kasimir, eben arbeitslos geworden, leidet unter seiner Lage, sein Selbstwertgefühl ist zerrüttet. Und jetzt muss er erleben, dass seine Liebste auf Abstand geht. Liebt sie ihn noch, auch wenn er nun ein Arbeitsloser ist? Liebt sie ihn also überhaupt? „Soll das heißen, dass wir eventuell nicht zueinander passen?“, fragt er. Und wenig später dämmert ihm: „Soll das heißen, dass wir uns eventuell trennen?“
Ganz so sieht es aus. Zwischen den beiden steigern sich die Verdächtigungen, Anschuldigungen und Vorwürfe. Sie gehen getrennte Wege zwischen Festzelten und Vergnügungsbuden. Von Kasimir argwöhnisch beobachtet, sucht Karoline Kontakt zu anderen Männern. Zwei gut betuchte Herren finden Gefallen an ihr, Kommerzienrat Rauch und Landgerichtsdirektor Speer.
Sie lässt sich auf vage Versprechungen ein, bei denen es den Männern aber nur darum geht, sich zu präsentieren und zu zeigen, was man sich leisten kann. Im ganzen Stück ist zu spüren, dass es nicht um die wirkliche Beziehung geht, sondern nur um Glanz und Ansehen, was das futuristisch gestaltete Bühnenbild mit Goldlederhosen und Konsumdirndln eindrucksvoll inszeniert. Kasimir scheint der Einzige zu sein, der wirklich leidet, denn sein Liebesschmerz wirkt überzeugend.
Er lässt sich von anderen Frauen umgarnen, aber richtig bei der Sache, beziehungsweise bei der Frau ist er nicht. Alle anderen Mitspieler bewegen sich orientierungslos über die Bühne mit stereotypen, abgehackten, fast roboterartigen Bewegungen, die mit der Zeit eintönig wirken, aber die Unwirklichkeit der Situation noch verstärken. Auch der Kontakt zum Publikum bleibt teilweise auf der Strecke.
Auf dem Rummelplatz ist das Glück nicht zu finden
Die Männer geben das gestandene Mannsbild, die Frauen winken kokett oder schauen sehnsuchtsvoll zum Sternenhimmel. Auch dort ist das Glück nicht zu finden. Auf dem Rummelplatz aber auch nicht. Allmählich steigt der Alkoholpegel zumindest der Männer an. Gut gespielt von den Akteuren. Die Sprüche werden platter. Auch Kasimirs eifersüchtige Enttäuschung steigert sich zu der Erkenntnis: „Eine Frau ist ein Auto, bei dem nichts funktioniert.“ Es kommt zu Beleidigungen und groben Rempeleien, Mädchen lassen sich abschleppen, während Karoline und Kasimir sich immer noch aus dem Weg gehen und bei zufälligen Treffen keinen guten Faden mehr aneinander lassen. Zur Festzeltatmosphäre passt der Gassenhauer „Trink, trink Brüderlein trink“, elektronisch bearbeitet von DEEF. Er wiederholt sich noch ein paar Mal, um am Schluss hängen zu bleiben, wie eine Schallplatte mit Sprung. Um die ohnehin unbezogenen und unverbundenen Menschen noch mehr in ihrer Entfremdung zu zeigen, greifen die Schauspieler zum Stilmittel der Maske. Leere weiße Gesichter, die symbolisch für die amorphe Masse der Festbesucher stehen.
Als sich herausstellt, dass der Merkl Franz auf dem Parkplatz Autos aufgebrochen hat und deshalb von der Polizei abgeführt wird, bricht die Illusion vom möglichen neuen Glück für Karoline endgültig zusammen. Sie sucht Kasimir, will ihm um den Hals fallen, aber er stößt sie weg. „Du brauchst einen Menschen“, sagt einer, der es gut mit ihr meint und sich selbst als Begleiter anbietet.
Vielleicht hätte was daraus werden können, aber Karoline hat den Mut verloren. Ihre Suche nach Glück und gesellschaftlichem Aufstieg endet in dem resignierten Satz: „Dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln und das Leben geht weiter, als wäre man nie dabei gewesen.“