Said Mola inszeniert Fassbinders „Blut am Hals der Katze“ mit dem „Theater im Gewölbe“.
Kritik in der Badischen Zeitung vom 13. März 2006
Klarheit, Kraft und Intensität sind die Merkmale von Said Molas erster Arbeit mit dem Offenburger „Theater im Gewölbe“. Der in Freiburg derzeit aktive iranische Film- und Theaterregisseur hat mit der Truppe in nur vier Monaten Probearbeit Rainer Werner Fassbinders „Blut am Hals der Katze“ auf die Bühne gebracht – Premiere war am Samstag in Offenburg.
Das „Theater im Gewölbe“ gibt es seit fast 30 Jahren als kleines, meist um die 15 Mitspieler starkes Off-Ensemble. Aus ihm gingen über ein Dutzend Profis hervor, Schauspieler, Bühnenbildner, Dramaturgen, Regisseure, Autoren, darunter auch die Filmemacherin Anne Wild, die 2003 mit „Ein kleines Wunder“ den Max-Ophüls-Preis gewann. In letzter Zeit war es still um die Gruppe geworden, mit Mola lebt sie neu auf, sie zeigt Präsenz und ordentliche darstellerische Qualitäten.
Fassbinders Werk besteht aus drei Dutzend Schnipseln in Mono- und Dialogen. Sie zeigen die Menschen verlogen und verloren, bedürftig und brutal, auf der Jagd nach Liebe, Heimat, Geborgenheit, und unfähig, diese zu gewähren oder anzunehmen: „Sehen wir uns wieder?“ – „Ich mag es nicht, an den Menschen zu kleben.“ Oder: „Dein Mann hat bei mir eben mehr Spaß als bei dir!“ – „Du bist gemein!“ – „Nein, nur ehrlich.“ Jeder kämpft gegen jeden, jeder für sich allein.
Streitende Paare, gehässige Mitmenschen, verlassene Frauen, ein Model mit Angst vor dem Älterwerden, Zuhälter, Nutten, ein aufgeblähter Polizist, die intellektuelle Emanze – sie alle kleiden ihre Verletztheit und Einsamkeit nach Vermögen aus. Sie bejammern sich oder markieren den coolen Typen: „Soldaten ficken besser, denn ein Soldat fickt immer das letzte Mal.“ Oder verschanzen sich hinter Prinzipien: Der Weltverbesserer hat „Gerechtigkeit im Kopf“, folglich braucht er kein Mitleid mit dem, der vor ihm steht.
Mola stellt diese nackten Szenen auf eine nackte Bühne. Die Konzentration auf Mimik und Geste, teils unterstrichen durch statische, wie eingefrorene Momente machen daraus Nahaufnahmen, die wirken wie Filmschnitte. Dem stehen zwei Szenen gegenüber, in denen alle Akteure versammelt sind und jeder sich doch nur um sich selber dreht. Gebunden werden die Schnipsel durch die Figur der Phöbe Zeit-Geist, zur Entstehungszeit des Stücks, 1971, eine in der Sponti- und 68er-Szene beliebte Comicfigur zwischen Sozialkritik und Pornographie.
Phöbe im geschlitzten Abendkleid, wasserstoffblond, ist kühl, unbeteiligt, allgegenwärtig. Sie ist nicht von dieser Welt, sie sieht, hört zu, plappert nach, ohne verstanden zu haben, und entlarvt so Sprache und Sprüche als etwas, das nicht Verständigung schafft, sondern abgrenzt, ausgrenzt. Die Schockwirkung von damals, als Sado-Maso-Szenen und sexuelle Anzüglichkeiten das Publikum verschreckten, hat Fassbinders Stück verloren, geblieben ist seine Aktualität. Dazu legt Mola mit lakonischen Dialogen einen grimmigen Humor frei: „Alle Leute tun sich weh!“ – „Jaja, das sind so Gesetze auf der Welt!“
– Nächste Vorstellung: 22. März, 20 Uhr, Salmen, Offenburg, 24. März, 19.30 Uhr, Alte Uni Freiburg, 30. März, 20 Uhr, Aula der PH, Freiburg.
von Robert Ulmann