Show des Lebens

Eine gut austarierte Komik und Tragik

Veröffentlicht in: Presse, Show des Lebens | 0

Das Theater im Gewölbe spielt „Die Show des Lebens“

Badische Zeitung vom 13. Februar 2017

OFFENBURG. Um Illusionen geht es, ums Glücklichsein, und um noch ein paar Dinge. Etwa um die Frage: „Wie muss ich sein, damit ich mich selber bin?“ Oder: „Wo ist für mich der richtige Platz/Partner/Job, damit mein Leben richtig ist?“ In der aktuellen Produktion des Theaters im Gewölbe (am Donnerstag war im Salmen Premiere) stellen sieben „Kandidaten“ ihre Träume/Alpträume vor, teils hollywood-reife Sozialdramen, teils absurd-überdrehte Lifestyle-Parodien.

Da ist Leander, der um jeden Preis Individualist sein will. Doch die Marketingstrategien der Werbung führen ihn in jedem Möbelhaus zielsicher zum „Sofa Leander“. Er kauft sich eine Scheußlichkeit mit Rosenmuster. Ein Pyrrhussieg – mit der Zeit gefällt ihm das Teil, und das ruckzuck darauf umgeschwenkte Marketing triumphiert erneut.

Oder Arielle und ihr Baderitual mit „Harmony of the Universe“-Badesalz und ihren feuchten Träumen vom arabischen Prinzen, dessen Sklavin sie ist. Die Information über die Dürre im Darfour bricht in die Idylle: „Ich verbrauche 180 Liter Trinkwasser für ein Bad, und dort verdursten Kinder.“ Der Kampf der Ansprüche beginnt: Hier ökologisches Bewusstsein, dort esoterische Entspannung im Wohlfühlbad, um eins mit dem Universum zu werden.

Ann ist auf der Suche nach dem Ort, der ihr Zuhause sein könnte. Sie kennt jede Stadt vom Bahnhof her. Doch man muss „das Leben vom Ende her“ denken – sprich: Den optimalen Platz auf dem optimalen Friedhof finden. Sie wird Friedhofstouristin, ruhelos noch angesichts des Todes.

Gundula stellte eine türkische Putzfrau mit Kopftuch ein – und scheitert kläglich mit ihrem Anspruch, „offen“ zu sein. Ein bisschen Exotik als Dekor ist ja aufregend, doch echtes Interesse ist zu anstrengend.

Oder die unerträglich optimistische Sammy: „Meine Mutter wollte mich abtreiben, mit Stricknadeln. Ätsch-bätsch, nichts getroffen, Schnaps gesoffen. Ein Glück, sonst wäre ich ja nicht da . . . “ Das Highlight in ihrem Leben: Sie wäre fast adoptiert worden, bekam sogar einen Teddybär geschenkt. Nun erwachsen, träumt sie davon, ihre Fast-Adoptiveltern kämen an Weihnachten in ihre kleine Wohnung zu Besuch. „Die würden staunen, dass ich das geschafft habe.“ Sogar Christbaumkugeln und eine CD mit Weihnachtsliedern hat sie schon gekauft, von ihrem Lohn. Ihre Arbeit: Lungenabsaugen in der Putenschlachterei. Klassischer Sozialkitsch, einerseits. Doch Barbara Krehl spielt das so intensiv, dass es schmerzt. Überhaupt sind die Darsteller fantastisch, alle. Regisseurin Miriam Lemdjadi bricht die Monologe sehr geschickt, durch Echos, eines griechischen Chors, surreale Dialogpartner. Und sie bricht die Realität: Die blauen Haare der „Kandidaten“, das Showmasterteam in Flitter und Gold. Joshua Trefzer spielt die Bühnenmusik live, ein guter Gitarrist.

Die sieben „Schicksale“ spiegeln bei aller Absurdität immer auch die Welt, die Gesellschaft, uns selber. Zwar ist die Show als deren Klammer ein schwaches Vehikel. Doch die Qualität der Truppe und das Gespür der Regisseurin für das Austarieren von Komik und Tragik machen das wett.

Text: Rob Ullmann