Thig spielt Pablo Neruda
Kritik in der Badischen Zeitung vom 16. Mai 2002
von Susanne Moser
OFFENBURG. Die spannende Frage lautete: Wie lässt sich ein Buch, das nur aus Fragen besteht, in ein „Spiel“ verwandeln? Das Offenburger Amateur-Ensemble „Theater im Gewölbe“ (ThiG) zeigte in der Reithalle das um Pablo Nerudas „Buch der Fragen“ entwickelte „Spiel der Fragen“. Dem ThiG um Regisseurin Alma Bolivar ist es jedenfalls gelungen, den Fragen einen Rahmen zu geben. Das Ergebnis war ein außergewöhnliches, für manchen gar gewöhnungsbedürftiges Stück.
Eine Collage, die von spiritueller Choreographie zur Frage „Woher weiß man, wer Gott ist unter den Göttern von Kalkutta?“ über Shakespeares Sommernachtstraum bis hin zur Geburt des Blaus („Wer hat vor Glück geschrien, als die Farbe Blau geboren wurde?“) eine beeindruckende Vielfältigkeit garantierte. Roter Faden des durch Improvisationen entwickelten Stückes waren Nerudas Fragen. Die meist mehrmalige Wiederholung jeder einzelnen Frage erlaubte es dem Zuschauer, trotz der häufig wechselnden Szenen und Fülle an Fragen das subjektiv wichtigste mit nach Hause zu nehmen, denn eine Antwort gibt es selbstverständlich nicht.
Auch für die Schauspieler war das Fehlen einer durchgehenden Handlung eine große Herausforderung, da es bei einer Gruppe von acht Darstellerinnen und einem Darsteller einen häufigen Rollenwechsel mit sich brachte. Diese Aufgabe wurde jedoch von allen gemeistert, so dass die Übergänge zwischen den Szenen fließend waren.
Die schauspielerischen Leistungen waren ebenfalls sehr überzeugend, was zusammen mit dem wirkungsvoll eingesetzten Licht und der Musik eine ganz besondere, lebensfrohe und doch zugleich wieder melancholische Stimmung schuf. Ebenso außergewöhnlich wie das Stück selbst war die BUhne. Auf drei Ebenen, der eigentlichen BUhne, einem etwas niedrigeren Podest und dem Zuschauerparkett, das mit von den Schauspielern angefertigten bunten Teppichen ausgelegt war, aber auch zwischen den Zuschauerreihen fand das Spiel der Fragen statt.
Die Mühe des ThiG-Ensembles wurde letztendlich belohnt: der begeisterte Applaus des Publikums zog die Künstler an der Premiere mehrmals wieder auf die Bühne. Wer neugierig geworden ist, hat am 21. Juni in der Waldorfschule um 20 Uhr ein letztes Mal die Chance, zwischen den vielen Fragen doch noch Antworten zu finden.