Offenburger Tageblatt vom 12.10.2011
»Elsa – ich darf nicht reden« heißt das neueste Stück, mit dem das Theater im Gewölbe morgen, Donnerstag, im Salmen Premiere feiert. Nachgezeichnet wird das Schicksal einer jungen Frau, die sich öffentlich gegen das NS-Regime ausspricht.
Offenburg. Als gespenstische Schatten verfolgen die Ensemble-Mitglieder des Theater im Gewölbe Elsa: Die Frau ist auf der Flucht, ihr Leben bedroht. Andrea Rissler in der Hauptrolle zeigt packend, wie es Menschen während der Nazi-Herrschaft erging, wenn sie den Mund aufmachten gegen das Regime. Elsa Santo aus Grafenhausen war so eine.
Die Lebensgeschichte der Elsa Santo ist Stoff für die aktuelle Produktion des Theater im Gewölbe, kurz ThiG, die morgen, Donnerstag, im Salmen Premiere feiert. Regisseurin Annette Müller hat einen persönlichen Bezug: Elsa war ihre Großmutter. Allerdings: »Über diese Sache wurde in der Familie nicht viel gesprochen«, erinnert sich Müller.
Hans-Peter Goergens und der 2009 verstorbene Historiker Gerhard Finkbeiner aus Schweighausen engagierten sich dafür, die Biografie zusammenzutragen. Und daraus ist dann ein Bühnenstück geworden, in dem die Beklemmungen der damaligen Zeit klar zu Tage treten.
»Dem Ehemann von Elsa wurde ihr eigenständiges Denken zu heftig – er forderte die Scheidung«, erzählt Annette Müller. Brauereibesitzer Hans Link aus Möhringen konnte nicht mit dem losen Mundwerk seiner Frau umgehen. Einfach war es damals, der Frau auch noch die Kinder abzunehmen: Sie bleiben beim Vater, Elsa ging zurück zu ihren Eltern. Verliebte sich dort in den polnischen Gastarbeiter Wladimir Maslyk und wurde schwanger. Dieser »Umstand« war sein sicheres Todesurteil. Deshalb blieb dem Paar nur die Flucht. In Polen bekam Elsa ihr Baby, seine Eltern trafen sie nicht mehr an: Sie waren deportiert.
Partner wurde ermordet.
Maslyk wurde verhaftet und ermordet. Die junge Mutter floh nach Jena, konnte dort ihre Tochter bei der Zimmerwirtin unterbringen. Sie selbst kam ins KZ Ravensbrück bei Berlin, wo sie sich bei medizinischen Experimenten schwere gesundheitliche Schädigungen zuzog. An »offenen Beinen« starb die 1909 geborene Frau dann bereits 1961. »Abgründe des Menschseins« nennt Müller diese Todesmaschinerien, die die Insassen meist früher oder später das Leben kosteten.
Neben Rissler stehen zehn Ensemblemitglieder des ThiG auf der Bühne, zudem Jugendliche, die die Regisseurin beim »Räuber«-Projekt kennengelernt haben. »Eine tolle Kombination«, freut sich Müller. Vor allem die Jugendlichen, zwischen sieben und 18 Jahre alt, würden durch das von der St.-Andreas-Stiftung unterstützte Projekt eine unglaubliche Entwicklung durchmachen: »Die Erwachsenen fordern sie heraus.« Dadurch konzentrierten sie sich und lassen sich auf die Themen Drittes Reich, Widerstand und Verfolgung ein.
Mit dem Stück will Annette Müller dem Mechanismus nachspüren, warum sich die Menschen im Dritten Reich nicht mehr gewehrt haben und was passiert, wenn Menschen ihr Denken an die Obrigkeit abgeben. Aber auch ein Zeichen setzen gegen aktuelle Probleme wie Ausländerfeindlichkeit oder Rechtsradikalismus.
Erstmals geht das ThiG eine Kooperation ein. Als Regieassistentin steht Müller Sophie Stürmer aus Waldkirch zur Seite. Ein umfangreiches Programmheft flankiert die Produktion. Auch in Sound- und Filmcollagen fließt das Geld, das die Stiftung zuschießt. Denn wie immer setzt Müller auf blitzlichtartige Szenerien, die das Geschehen auf der Bühne unterstützen.
Die Termine
Premiere des Theaterstücks »Elsa – ich darf nicht reden« ist morgen, Donnerstag, um 20 Uhr im Salmen. Die weiteren Aufführungen: Freitag, 14. Oktober, 20 Uhr; Freitag, 11. November, 10.30 Uhr (für Schulen) und Samstag, 12. November, 20 Uhr.
von Bettina Kühne