Artikel aus der Badischen Zeitung vom 13. Juli 2010
Das Theater im Gewölbe und seine Revue „Das Dadalyripipidon“.
OFFENBURG. Das Offenburger Theater im Gewölbe hat sich schon mehrfach mit Dada beschäftigt, jener Literatur, die um 1920 dem Pathos und der „tiefen Weltschau edler Dichtung“ Nonsense-Verse, sinnfreie Wort- und Satzhülsen plus absurden Humor entgegensetzte. Auch früher schon wählte das Ensemble für seine Dada-Abende besondere Orte, etwa das Alte Wasserwerk. Am Wochenende inszenierten Barbara Krehl und Silke Mahnke „Das Dadalyripipidon“ im Garten der Villa Bauer, die viele Jahre für das Theater im Gewölbe Heimat war.
„Dada im Fernsehformat“ lautete einer der Untertitel des Programms, mit der Fernbedienung wurde von Szene zu Szene gezappt. Der Beginn passte zwar nicht so recht ins TV-Schema, aber er war vielversprechend: Zu einer Art Trauermarsch betreten die Akteure die Bühne, mit fantasievollen Kopfbedeckungen aus Zeitungspapier. Dann folgt eine Szene wie aus einer Boulevard-Komödie: Es soll etwas geprobt werden: „Die Szene mit de Chips?“ fragt Gerion Niekamp, kurze Hosen, Gummistiefel, stoischer Schreibtischtäterblick. „Ich mag kei’ Chips, könne mr nit Erdnüssli nemme?“ Eine Stunde später kommt die Szene mit den Chips, und sie ist die stärkste des Abends. Das Ensemble sitzt, hockt, liegt, fläzt sich, starrt gebannt auf einen imaginären Punkt, wohl ein Bildschirm. Aus Lautsprechern tönt Kriegslärm. Man trinkt Bier, stopft mechanisch Chips in sich. Ein Kind weint vor Angst oder Panik. „Isch nit so schlimm. Des wird scho widder“, sagt ein anderer, ohne den Blick vom Bildschirm lösen zu können. Er wiederholt es immerzu, halb das Kinderweinen abwehrend, halb die eigene Verstörtheit übertünchend. Es ist eine Szene, bei der man trotz der Hitze im Park zu frieren beginnt.
Leider sind solch packende Momente die Ausnahme. Dort, wo man klassische – Hugo Ball, Hans Arp – oder neuere Dada-Texte – Ernst Jandl – inszeniert, bleibt es brav. Da gibt es die bekannte Talkrunde, in der jeder seine Macken vorführt, mit Texten wie „Dada ist groß“ oder „Ululale pitipita“. Beim „Schnacklpunz“-Marsch von Jandl wird von einem Stuhl aus eine Art Karussell dirigiert. Da gibt es eine OP-Szene, die zu Operierende hat ein Köfferchen auf dem Bauch, man hört sie ab mit einem Schlauch, fuchtelt mit anderen Geräten und rezitiert Automarken. Dann zapp, nächste Szene. Da fehlt oft der szenische Höhepunkt, der Kick, der Kontrast. Es fehlt dramaturgischer Auf- oder Überbau, und es fehlt Frechheit.
So folgt Szene auf Szene, ein bisschen lustig, teils auch ein bisschen langatmig. Sätze wie „Prusch kata ballubasch“ oder „Weh unser guter Kaspar ist tot“ haben losgelöst von ihrem historischen Kontexts wenig Provokatives, und eine neue hat das Theater im Gewölbe bei dieser Inszenierung nicht gefunden.
Autor: Robert Ullmann