Beklemmende Inszenierung von Werner Schwabs „Die Präsidentinnen“ des Theaters im Gewölbe
Kritik in der Badischen Zeitung vom 2. Mai 2007
von Robert Ulmann
OFFENBURG. Gelungener kann eine Premiere kaum sein. Mit „Die Präsidentinnen“ des jung verstorbenen Österreichers Werner Schwab bot das Offenburger „Theater im Gewölbe“ unter der Regie von Said Mola am Freitag im Salmen richtig gutes Schauspielerinnentheater in einem grotesk-komischen Stück.
„Die Präsidentinnen“ stellt drei markante Weiber auf die Bühne. Erna, die sparsame Betschwester und Putzfrau, träumt von einer Liaison mit dem Fleischkäs-Hersteller Wojtyla, der eine Marienerscheinung hatte und der seitdem statt Schnaps nur noch Wasser trinkt. Ihre Busenfeindin Grete spinnt sich eine Liebesgeschichte mit dem feschen Tubaspieler Freddy zusammen, der Gutsbesitzer ist, und sie wird Frau Gutsbesitzerin. Bleibt das Mariedl, geistig zurückgeblieben, Klofrau, die jegliche Verstopfung mit bloßen Händen beseitigt. Einmal hat sie so dem Herrn Pfarrer geholfen, der sie dafür im Namen des Herrn belobigt hat. Darauf gründet sie ihren ganzen Stolz.
Der Reigen zwischen diesem Trio ist atemberaubend in seinem ständige Wechsel der Gefühle und Spannungen, obwohl nur geredet wird, dazu voller hintersinnigem, mitunter galligem Humor. Erna und Grete haben Leichen im Keller, wie man so sagt. Ernas Sohn säuft, und sie versucht das positiv zu sehen: „Gerade solche Menschen werden manchmal erlöst von unserem Herrn Jesus und der Jungfrau Maria voll der Gnaden.“ Sie hat Probleme mit Mariedls Schilderungen unterschiedlichster Konsistenzen der menschlichen Fäkalien. „Ich frag mich, warum der Mensch ein Hinterteil hat. Er ist nicht schön, so ein Hintern.“ Das im TV gezeigte Grauen entsetzt sie. Gottseidank spricht der Bundespräsident vom Verzeihen: „Aber auch wenn man seinem Sohn verzeiht, säuft er.“
Gretels Leiche ist von schlimmerer Art, weil der eigene Ehemann die eigene Tochter ins eigene Ehebett bestellt hat. Schuld hat in Gretels Vorstellung die Vorsehung. „Man muss sie arbeiten lassen, wie sie will. Wenn sie dann fertig ist, tut es nicht mehr weh.“ Und: „Man kann die Vorsehung nicht an der Gurgel packen und sagen „Mach mich jetzt glücklich“ .
Das Stück gipfelt in einer dreifachen Erzählung, in der die drei Frauen ihre bieder-bürgerlichen und von Schwab ins Trivial-Absurde verzerrten kleinen Lebenswünsche offen legen. Gretel schildert, wie sie auf einem Volksfest ihren Tuba-Freddy trifft: „Und es entbrennt eine Liebe von unserem Tisch zum Orchester.“ Erna erhält einen formellen Heiratsantrag von Wojtyla und und ist von einer Sekunde zur nächsten stolze, eitle Geschäftsfrau. Das Mariedl wird zur glühenden Volksheldin im Stil einer Jeanne d’Arc, als sämtliche Klos des Festes verstopft sind und sie entschlossen zugreift.
Gespielt ist das hinreißend! Bettina Ragnit als Mariedl, immer voller Ungeduld wie ein Kind, dabei ständig Fingernägel kauend — dabei am Schluss zur Lichtgestalt und Heiligen werdend. Silke Mahnke als Erna fällt zwischen Prediger- und Feldwebelton hin und her, harsch, streng, puritanisch. Barbara Krehl mit Rokokofrisur, mimt immer die verführerische Kokotte, die alles leicht nimmt, und kann in Sekundenschnelle gehässig und bitter werden.
Said Mola hat die Bühne mit einem Gerüst umstellt. Vor dort beobachtet Mariedl, dort spintisiert und träumt sie. Davor pendeln Erna und Grete zwischen TV-Gerät und Lokus hin und her: Müll aufnehmen, und wenn er im Hirn gewirkt hat, wird das Fäkale durch den Mund und den Hintern wieder entsorgt. Das Stück glänzt mit brillanter Sprache — und hat leider einen einfallsarmen Schluss: Bravo-Rufe gab’s trotzdem.
Die nächsten Aufführungen sind am 4. und 5. Mai, sowie am 20. Juni, jeweils 20 Uhr, im Salmen.