Shakespeares beste Szenen brachte das Theater im Gewölbe auf die Bühne: Häppchenweise zeigten sie Auszüge aus »Was ihr wollt«, »Romeo und Julia«, »Sturm« und »Richard III«. Eingebettet war das Ganze in die Geschichte des englischen Theaters zur Zeit Shakespeares, die eine Truppe nachzeichnete.
Kritik im Offenburger Tageblatt vom 9. März 2004
Offenburg. Shakespeare hätte sicherlich seine Freude gehabt an den Mitspielern des Theater im Gewölbe. Sie purzelten in ihren braunen Klamotten etwas ungelenk übereinander, gaben sich ruppig und stellten dadurch ganz die Situation von Schauspielern zu Shakespeares Zeit dar. Verpackungsmaterial für die Original-Szenen, die der Geschichte aufgesetzt waren wie die Eierkartons und Schaumstoffrollen den abgerissenen Kleidern der Truppe.
Diese kehrte die Welt des 15. Jahrhunderts etwas um: Statt der damals üblichen reinen Männertruppen stellte das Theater eine Frauengruppe dar. Um ihrem typisch weiblichen Schicksal zu entfliehen, waren sie in Männerkleidung geschlüpft – und vor allem die Ensembleleiterin wünschte sich sehnlichst einen Mann. Damit die Rolle des Prinzen endlich einmal adäquat besetzt würde… Doch der Ersehnte – das war Ehrensache – stellte sich als Prinz nicht besonders gut an. Klamauk muss schließlich sein. Unterbrochen wurde diese Rahmengeschichte von Szenen aus den großen Dramen. So fungierte Andreas Matern als Hamlet – der Geist seines Vaters (Nicole Jendrossek) quälte ihn mit fast unbeteiligter Ruhe in französischer Sprache – und als Richard III. In dieser Rolle konnte er Format beweisen: Mit trotziger Ruhe zerschmetterte er das Kind, um sich nach diesem Mord gemessen selbst zu zerfleischen. Denn: Richard liebt Richard.
Zickig und aufgeregt
Ein überzeugendes Duo gaben Rosalinde (Andrea Stamwitz) und ihr Narr Probstein (Bettina Ragnit) ab. Während das verliebte Mädchen zickig und aufgeregt agierte, setzte der Hofnarr pointiert seine trockenen Kommentare ab – begleitet von einem fesselnden Mienenspiel unter dem Medusenhaupt.
Gut nutzte das Ensemble das Platzangebot im Salmen aus. Da wurde nicht nur die Bühne bespielt, sondern die Truppe kampierte auch ebenerdig, direkt vor den Füßen des Publikums in der vordersten Reihe – was weiter hinten teilweise zu Sichtproblemen führte. Einfacher war es da schon, den Hals Richtung schmachtender Julia zu drehen. Diese, angetan mit einem weißen Spitzenkleid, verkündete ihre zärtliche Liebesbotschaft vom Balkon. Doch nicht lange konnte Ricarda Wagner mit blitzenden Augen die kindlich-naive Verliebte geben, die den Liebhaber betörte und die Amme umschmeichelte – die Botschaft vom Tod ihres Liebsten ließ eine melancholische Verzweiflung aufkommen. Stark gestaltete Lady Macbeth ihren Monolog. Barbara Krehl mutierte von der souveränen boshaften Drahtzieherin zur verzweifelten Hektikerin. Ohne viel Bewegung machte sie die Erschütterung klar, die in der Wahnvorstellung um die blutigen Hände gipfelte.
Geneckt statt gequält
Ganz anders dagegen Caliban (Silke Mahnke): Zappelnd rollte er über die Bühne, eher geneckt als gequält von seinen Geistern. Diese Szenen wurden projektmäßig in portugiesisch ausgestaltet, der Muttersprache von Regisseurin Alma Bolivar. Hier wird das Theater auf besondere Weise sinnlich, weil der überwiegende Teil der Worte nicht zu verstehen ist.
von: Bettina Kühne