Kritik im Offenburger Tageblatt vom 13. März 2006
Puzzlestück: Mit »Blut am Hals der Katze« gelang dem Theater
im Gewölbe eine fesselnde Inszenierung
Mit der Produktion »Blut am Hals der Katze« nach Rainer Werner
Fassbinder konnte das Theater im Gewölbe überzeugen. Im Salmen
präsentierte das Ensemble mit zehn Schauspielern das gesellschaftskritische
Stück unter der Regie von Said Mola.
Offenburg. Mit lang anhaltendem Applaus belohnte das Publikum das Theater im
Gewölbe für seine aktuelle Produktion: Es überzeugte mit Fassbinders »Blut am Hals der Katze« im Salmen. Das gesellschaftskritische Stück, das den brutaler werdenden Alltag schildert, lockte zahlreiche Besucher in den Salmen.
Sie erlebten mit, wie Phoebe (Andrea Stamwitz) als Zeitgeist eines fernen
Planeten verschiedene Begegnungen betrachtete: unschöne Szenen zwischen
Menschen, die mitleidslos miteinander umgehen. Dabei reduzierte Fassbinder die Themen auf Liebe, Gier, Angst, Gewalt und Tod.
Phoebe, der die Menschenwelt fremd ist, speichert aus dem Geschehen
verschiedene Phrasen. Diese wendet sie bei einer Party an: Wie durch einen
Zufgallsgenerator angetrieben, spuckt sie wunderbar passend die unpassenden
Sätze aus, deren Kontext nur die Zuschauer kennen. Irritiert, teilweise
auch provoziert fühlt sich die Gesellschaft, als ihr so ihre eigenen Worte
ungeschönt um die Ohren fliegen.
Vor einem schlichten Bühnenbild mit angedeuteten Hausfassaden treten die
unterschiedlichen Charaktere wie aus Schubladen hervor. Sie sollen Stereotype
zeigen, die tagtäglich begegnen: ein Mädchen (Annette Müller) oder die Geliebte (Vera Krakovic), den Soldaten (Andreas Mattern) oder den Metzger (Dietmar Berron-Brena).
Besonders überzeugend fand sich die alte Garde in das nicht einfache
Stück hinein. Nicole Jendrossek verschmolz so mit ihren Rollen, dass sie an
Eindringlichkeit kaum zu überbieten war. Ungezwungen meisterte sie die
Parts der Geliebten, Hure und Domina, ohne je peinlich zu wirken. Das bewirkte
bei ihren Auftritten eine Präsenz, die das Publikum ins Geschehen hineinzog.
Bärbel Krehl glänzte als verzweifelte Witwe, der die Rente gekürzt wurde, oder als Unglückliche mit unerwiderter Liebe. Ihre Stärke waren fast bewegungslos ins Publikum gesprochene Monologe; damit erreicht sie eine Tiefe, die dem Stück gerecht wurde.
Schwelende Gewalt
Überzeugend auch Silke Mahnke, die mal einen schöngeistigen Lehrer, dann wieder eine kesse Zigeunerin gibt. Denn das Stück forderte jeden Schauspieler dazu heraus, sich in unterschiedliche Rollen zu begeben. Dieses Sammelsurium von Charakteren traf vor der Pause und zum Ende des Stückes auf Partys aufeinander. Auch hier schwelt die Gewalt hinter dem vordergründigen Amüsement mit ein paar Drinks.
Bei den Männern – Regisseur Said Mola konnte den Anteil der Schauspieler
auf 40 Prozent steigern – ersetzte häufig eine übertreibende Gestik die
Unsicherheit im Ausdruck. Mit mehr Ruhe, auch beim Sprechen, könnten sie
der Vorlage der weiblichen Mitspielerinnen gleichziehen.
Vielleicht ging es mitunter eine Lichtblende zu lange, bis der nächste der kurzen Aufzüge folgte. Ansonsten aber leistete Mola mit seinem Offenburger Debut ganze Arbeit. Er beweist: Das Ensemble mit zehn Amateuren im Alter zwischen 22 und 65 Jahren kann wieder große Werke in Angriff nehmen – und bewältigt sie angemessen.
Weitere Aufführungen in Offenburg sind am 22. März im Salmen und am 25. März in der Kunstschule, je um 20 Uhr. In Freiburg spielt das ThiG im
Theatersaal der Alten Uni am 24. März um 19.30 Uhr und in der Aula der
PH am 30. März um 20 Uhr.
von Bettina Kühne