Kritik im Offenburger Tageblatt vom 3. Februar 2007
Theater im Gewölbe gibt eine beeindruckende Premiere von »Bernarda Albas Haus«
Mit der angespannten Atmosphäre in Bernarda Albas Haus fesselte am Mittwoch das Theater im Gewölbe die Zuschauer im Salmen: Die Aktricen brachten die aufgekratzte Stimmung unter den fünf ledigen Schwestern bestens herüber. Die Mutter sorgte mit ihrer Sturheit überdies für Beklemmung.
Offenburg. Alles wirkt ganz spanisch: die dick gezeichneten, schwarzen Augenbrauen, die streng nach hinten geknoteten Haar, die gequälten Mienen. In Bernarda Albas Haus ist ein Trauerfall eingetreten. Und das bedeutet für die schwarz gekleideten Töchter der Familie: In den nächsten acht Jahren wird nicht geheiratet. Obwohl die Älteste aus erster Ehe einen Anwärter hat: Pepe el Romano, der sämtlichen Mädchen im Haus den Kopf verdreht. Neid und Eifersucht prägen daraufhin das Leben in der Familie.
Das Theater im Gewölbe nimmt die Zuschauer nicht nur mit ins Stück von Federico Garcia Lorca, sondern direkt in die Zeit des katholischen Spanien. Die Enge, die das starre Korsett von Religion und Moral bilden, lässt alle gleichermaßen leiden: Sittenwächter und Bewachte.
Unter Regie von Said Mola spielen die neun Frauen im Jubiläumsjahr – das ThiG ist 30 – gewohnt gut. Vor allem in den leisen Szenen mit manchmal nur zwei Schauspielerinnen entwickelt sich eine unglaublich verdichtete Atmosphäre. Die Spannungen, die im Haus mit der despotischen Mutter Bernarda (Silke Mahnke) und den unverheirateten Töchtern herrscht, treten dann besonders deutlich zu Tage.
Sobald die Szenen aber lauter werden, verblasst die Wirkung: Im Geschrei gehen nicht nur die Szenen unter, sondern auch die Silben. Die Akustik des Salmen schluckt den Text.
Wie immer große Klasse ist Bärbel Krehl als La Poncia, die ihre Rolle souverän ausfüllt. Mit Nicole Jendrossek als Magd bildet sie ein gutes Gespann.
Mit den beiden Neuzugängen hat das Theater Glück. Mit ihrer klaren Aussprache ist Dunja Rühl als Martirio am besten von allen zu verstehen. Und gleichzeitig versteht sie es, das beständige Leiden der benachteiligten Schwester und heimlichen Verehrerin in ihrem Gesicht zu spielen. Nur mit dem der Rolle zugedachten Buckel konnte sich die Schauspielerin nicht anfreunden. Sie hat ihn an Annette Müller weiter gereicht, die ihn auf ihre Rolle der Amelia packte: Ihre Verschlagenheit blitzt durch die debilen Anflüge hindurch, die diese Schwester nach außen zeigt.
Den Falschen im Kopf
Gar nicht so viel spielen, sondern vielleicht einfach nur sich selbst sein muss Liuba Rühaak: Als jüngste Schwester wirkt sie auch im Ensemble wie das Küken. Eine Lolita, die die Augen rollt und leider den Falschen im Kopf hat.
Anachronistisch wirkt der Auftritt von Johanna Heckmann, die als Maria Josefa im Rollstuhl auf die Salmenbühne rollt. Die wirre Großmutter behauptet, demnächst heiraten zu wollen. Dafür ist sie schon einmal, wie eine »richtige« Braut, weiß gekleidet – ein harscher Kontrast zu den Jungen in Schwarz.
Über allen Dingen steht Andrea Stamwitz als Magdalena: Sie will von Männern gar nichts wissen und stellt eine unbeteiligte Miene zur Schau. Ebenso gut identifiziert mit ihrer Rolle ist Bettina Ragnit als Angustias: Sie ist die Glückliche, die heiraten soll – und die Unglückliche, die die schwindende Liebe ertragen muss.
Die sparsam möblierte Bühne ermöglichte den Schauspielerinnen, zu zeigen, was sie können. Tolle Regieeinfälle wie das Schattenspiel zu Beginn und am Ende werten die Vorstellung überdies auf.
Weitere Aufführungen finden heute, Samstag, und am Mittwoch, 7. Februar, jeweils um 20 Uhr im Salmen statt .
Von Bettina Kühne