Philosophie im Kehlsack des Pelikans

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Kritik der Badischen Zeitung vom 15. Dezember 2007

„Der kleine schwarze Fisch“

OFFENBURG. Es boomt zurzeit in Sachen Theater für Kinder in Offenburg. Aktuell bieten sowohl das deutsch-französische Theater BAAL novo wie auch die Offenburger Amateurtruppe „Theater im Gewölbe“ Kinderstücke an, und beide in höchst sehenswerter Manier.

Am Sonntagnachmittag, 16 Uhr, im Salmen wiederholt das „Theater im Gewölbe“ seine Inszenierung der Parabel „Der kleine schwarze Fisch“. Das Stück nach einer
Erzählung des iranischen Regimekritikers Samad Behrangi ist eine wunderschöne Arbeit, von Regisseur Said Mola bunt, stimmungsvoll und doch mit einfachsten Theatermitteln in Szene gesetzt, dabei bevölkert von herrlichen Figuren.

Papageienfische in gelben Smokings mit fliegenden Frackschößen, Kaulquappen mit Handtäschchen und Spiegel, immer eitel, aber ahnungslos oder die protzige
Eidechse, mit Bowler-Hut und fetter Zigarre im Stil eines neureichen Geschäftsmannes der 1920 Jahre.

Das Stück beginnt damit, das Großmutter Fisch ihren 12000 Enkeln eine Geschichte erzählt, eben die vom kleinen schwarzen Fisch, der den vertrauten Bachabschnitt zwischen den Felsen des Gebirges verlassen will, um zu sehen, wie die Welt anderswo ist. Er trifft die schwierige Entscheidung, die Mutter und die Freunde zu verlassen, die ihn alle beschwören, daheim zu bleiben. Die Welt daheim ist sicher, hier kennt man alles und jeden. Die Welt anderswo — wenn es sie überhaupt gibt — dagegen ist böse.

Dort lauern der Pelikan, der Fischer, der gefräßige Schwertfisch und der noch gefräßigere Kormoran, letzterer grandios als nachtschwarze Figur mit riesigen Flügeln dargestellt von Annette Müller. Immer wieder begegnet der kleine schwarze Fisch auf seiner Wanderung neuen, ihm unbekannten Wesen, etwa ein einem Teich, und auch dort finden alle seine Welterkundung unsinnig. „Es gibt keine Welt außer unserem Teich“ , heißt es. Am Ende erreicht der kleine schwarze Fisch aber doch das Meer — und trifft auf den Kormoran.

Das Stück ist nicht nur lustig. Die Gefahren, denen der Fisch begegnet, sind höchst real. Doch zugleich wird deutlich, dass es keinen Sinn hat, sich aus Angst vor dem Leben zu verstecken. Am Ende zieht der kleine schwarze Fisch ins Meer hinaus, und niemand hat je wieder von ihm gehört — ein offener Schluss.

Die Bühne ist meist völlig leer. Ein großes Gazetuch bedeckt den Bühnenboden. Es fängt das Licht ein und schafft so durch farbiges Licht von Szene zu Szene neue Räume: Das weite Meer ist tiefblau, die Szene im Kehlbeutel des Pelikans ist in diffusem Gelbrot, die Szene mit dem Krebs ist ganz in Rot getaucht. Mola arbeitet sehr intensiv mit Farben, nicht nur bei der Bühnenbeleuchtung, auch bei den Kostümen, als wolle er sagen: „Seht euch um, die Welt ist bunt!“ Wundervoll poetisch ist die Begegnung des Fischs mit dem Mond — Angelika Rissler trägt ein fantasievolles Kostüm, das im weißen Bühnenlicht hell aufleuchtet, und streut silberne Sterne über die Welt. Das Stück hat keine Pause. Es dauert 50 Minuten — genau die richtige Länge für ein Kinderstück ab acht Jahren.

Theater im Gewölbe: „Der kleine schwarze Fisch“ , nach einer Parabel von Samad Behrangi, Sonntag, 16. Dezember, 20 Uhr, Samstag, 22. Dezember, 16 Uhr, jeweils
im Salmen

Autor: Robert Ullmann